TrĂŒgerische Ruhepause: Coronapolitik von der Einheit sozialer Distanzierung zu populistischer Spaltung

Die Effekte von sozialer Distazierung variieren national wie global enorm [Gordon Johnson/Pixabay]
Liberale Demokratien haben im Angesicht der Corona-Krise in den letzten Wochen eine historische Vollbremsung vollzogen. Um Zeit im Kampf gegen das Virus zu gewinnen und den Kollaps der Gesundheitssysteme zu verhindern, verhĂ€ngten Regierungen weitreichende Kontakt- und Ausgangssperren. Diese neue NormalitĂ€t im Angesicht einer externen Bedrohung scheint die politische Landschaft zu verĂ€ndern. Die Zustimmung fĂŒr Regierungen steigt, sogar da wo Populisten mit zweifelhafter EffektivitĂ€t an der Macht sind. Dagegen verlieren selbst populistische Oppositionsparteien in vielen LĂ€ndern an RĂŒckhalt. Bedeutet die Corona-Krise also ein abruptes Ende der oft beschworenen polarisierten Politik der letzten Jahrzehnte? LĂ€utet sie eine Phase historischer Einigkeit ein oder sogar den Anfang vom Ende des Populismus?

Die aufkommende politische Ökonomie der rĂ€umlichen Distanzierung wirft Zweifel an dieser Perspektive auf. Vielmehr sind alle in der Forschung identifizierten Zutaten fĂŒr populistische Politisierung bereits ersichtlich: existierende Unzufriedenheit mit materiellen Ungleichheiten und Statusprivilegien in Demokratien mit wackliger UnterstĂŒtzung werden absehbar durch die Krise verstĂ€rkt, vor allem auf internationaler Ebene. Es ist daher wahrscheinlicher, dass die momentane nationale Einigkeit bald zurĂŒck zu bekannten distributiven und verfassungsbezogenen politischen Spaltungen der letzten Jahre fĂŒhren wird, jedoch mit erneut erhöhtem Einsatz. Lesen Sie mehr im vollstĂ€ndigen englischsprachigen Artikel hier.

Share this:

Ansichten eines verÀrgerten Liberalen

Liberale mĂŒssen sich fragen, was es ist, wofĂŒr sie heute einstehen. [Foto: Getty Images]

Was bedeutet es heute, liberal zu sein? Sich fĂŒr Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und eine regelbasierte internationale Ordnung einzusetzen? Unregulierte MĂ€rkte gutzuheißen? Oder ist der Begriff zum Synonym fĂŒr stetig ansteigende Mieten und Besitzlosigkeit eines großen Teils der Bevölkerung geworden? TatsĂ€chlich weist der Liberalismusbegriff viele Schattierungen und Konnotationen auf. Politiker verschiedenster Couleur von Vaclav Havel bis Augusto Pinochet bezeichneten sich selbst als Liberale, und was auf dem einen Kontinent als Liberalismus gilt, wird auf dem anderen nicht im Entferntesten in dessen NĂ€he gerĂŒckt. Angesichts des Aufstiegs der radikalen Rechten in Deutschland und ethnopopulistischer Spielarten des Autoritarismus in Osteuropa plĂ€diert Robert Benson in seinem Beitrag fĂŒr eine Reflexion ĂŒber den Stellenwert des Liberalismus und seine Rolle in der Verteidigung demokratischer Institutionen heutzutage. Lesen Sie den vollstĂ€ndigen englischsprachigen Artikel hier.

Share this:

Interview: Jonas Tallberg ĂŒber die LegitimitĂ€t internationaler Organisationen und die Krise der globalen Ordnung

In dieser Folge unserer Interviewreihe hat Jakob Angeli Prof. Dr. Jonas Tallberg zu Gast, Professor fĂŒr Politikwissenschaften an der UniversitĂ€t Stockholm.

Im Interview spricht der Forscher ĂŒber die LegitimitĂ€t internationaler Organisationen, ĂŒber die wahrgenommene Krise der gegenwĂ€rtigen Ordnung und seine LieblingsbĂŒcher.

Eine gekĂŒrzte schriftliche Version des Interviews sowie das gesamte Interview als Audiodatei (beides auf Englisch) finden Sie hier.

[Photo: Stockholm University]

Share this:

Zwischen AbenddĂ€mmerung und Morgenröte – eine Replik auf Frank Nullmeier

[Vincent van Zalinge/unsplash]

Dieser Text ist eine Antwort auf Frank Nullmeiers Buchbesprechung
“Legitimationsprobleme des Global Governance Systems. Michael ZĂŒrns Theorie der globalen Politik”, erschienen
hier und hier.

Frank Nullmeier hat sich im Theorieblog kritisch mit meiner „Theory of Global Governance“ (TOGG) auseinandergesetzt. Über seine kluge Kritik freue ich mich und möchte im Gegenzug darauf reagieren.  Im besten Fall regt die Auseinandersetzung weitere BeitrĂ€ge an. Frank Nullmeiers Beitrag beruht auf einer Ă€ußerst konzisen und fairen Zusammenfassung der Argumentation. Besonders schmeichelhaft ist es dabei, wenn er die Theoriekonstruktionsprinzipien von JĂŒrgen Habermas‘ „Legitimationsprobleme im SpĂ€tkapitalismus“ als Vergleichsfolie heranzieht. Schmeicheleien sind aber oft zweischneidig und so auch hier. Bei einem solchen Vergleich werden nĂ€mlich Defizite nur allzu gut sichtbar. Frank Nullmeier hebt in seiner Kritik v.a. drei Punkte hervor. Zum einen erweist sich der Anspruch von TOGG vor dem Habermasschen Hintergrund als geradezu bescheiden. Es handelt sich nur um eine Theorie des (globalen) politischen Systems und stellt keine Theorie der (kapitalistischen) Weltgesellschaft dar.  Dadurch – so der zentrale Kritikpunkt von Frank Nullmeier – wĂŒrden aber andere gesellschaftliche Systeme und mithin gewaltbasierte und interessengeladene Macht- und Herrschaftsbeziehungen ausgeblendet. Zweitens werde der Begriff der AutoritĂ€t ĂŒberdehnt, indem er durch das Konzept der Aufforderungen (requests) weit gefasst wird. Politische Systeme arbeiten aber nach Easton und Nullmeier ĂŒblicherweise mit Anweisungen (commands). Und dann ist da auch noch die Eule der Minerva, die ihren Flug erst in der DĂ€mmerung beginnt. Ich möchte in dieser Reaktion kurz auf diese drei wichtigen Kritikpunkte eingehen.

Continue reading “Zwischen AbenddĂ€mmerung und Morgenröte – eine Replik auf Frank Nullmeier”

Share this:

Legitimacy Problems of the Global Governance System. Michael ZĂŒrn’s theory of global politics

In his post, which originally appeared on Theorieblog, Frank Nullmeier critically examines Michael ZĂŒrn’s “A theory of Global Governance”, published in 2018 by Oxford University Press. The “Global Governance System” (GGS), as proposed by ZĂŒrn, is based on the exertion of global authority primarily through international organizations, whose political and epistemic authority has grown substantially over the past thirty years, even though they only act within a certain policy area. The consequences are severe legitimacy problems of the GGS. Nullmeier analyses the theoretical implications of such a vantage point, arguing that focusing on normative integration of international organizations comes at the expense of questions of state power, violence, and economic struggles, which are regarded as exogenous. Read the full article in German here.

Share this:

Legitimationsprobleme des Global Governance Systems. Michael ZĂŒrns Theorie der globalen Politik

Hinweis: Dieser Beitrag ist am 4. MÀrz 2019 zunÀchst auf theorieblog.de erschienen.

Mit seiner bei Oxford University Press publizierten Monographie „A Theory of Global Governance“ hat Michael ZĂŒrn nicht nur die Summe seiner Forschungen vorgelegt, sondern eine beeindruckende Theorie der globalen Politik auf der Basis der neuesten empirischen Forschung und bei genauer Kenntnis der Internationalen Politischen Theorie vorgelegt. Der entscheidende kreative Schritt liegt darin, das internationale politische Geschehen als ein eigenes politisches System, das „Global Governance System“ (GGS), zu verstehen.

Continue reading “Legitimationsprobleme des Global Governance Systems. Michael ZĂŒrns Theorie der globalen Politik”
Share this:

Hilfe! Ich habe ‘backlash’-Schleudertrauma: hin zu einer progressiven Infragestellung

                                                                                                                                                                [Foto: Alex Radelich/unsplash]

Zur Beschreibung der momentanen politischen Lage hat sich ein Großteil der akademischen Welt auf den Begriff backlash (auf Deutsch in etwa Gegenreaktion oder RĂŒckwirkung) eingeschossen. Er beschreibt im Englischen eine starke negative Reaktion auf soziale oder politische Entwicklungen, oft verbunden mit einer Idealisierung der Vergangenheit und der RĂŒckforderung verloren geglaubter Privilegien. Allerdings ist der Begriff irrefĂŒhrend: zunĂ€chst verkennt er die HeterogenitĂ€t der Strömungen, die die gegenwĂ€rtige liberale Weltordnung in Frage stellen. Klarerweise existieren reaktionĂ€re KrĂ€fte, die Pluralismus untergraben und Freiheitsrechte aushöhlen wollen. Doch dies verstellt oftmals den Blick dafĂŒr, dass es auch marginalisierte Gruppen gibt, die gegen die momentane Ordnung aufbegehren, weil diese ihren eigenen Versprechen nicht gerecht wird. DarĂŒber hinaus stellt der backlash-Begriff aber auch eine implizite Verteidigung des Status Quo dar. Die Betonung freier MĂ€rkte und individueller Autonomie erscheint somit als unumstĂ¶ĂŸlich; der Blick fĂŒr Alternativen jenseits des liberalen Paradigmas geht verloren.

Robert Benson lotet in seinem neuen Blogpost die Grenzen und Möglichkeiten des backlash-Konzepts aus und entwirft neue Perspektiven auf ein globales PhÀnomen. Lesen Sie den vollstÀndigen englischsprachigen Artikel hier.

Share this:

Das Ende der Liberalen Ordnung wie wir sie kennen?

Erleben wir derzeit das Ende der Liberalen Ordnung, wie wir sie kennen? Zwei wichtige neue Publikationen zu dieser drĂ€ngenden Frage wurden kĂŒrzlich bei einer WZB-Veranstaltung prĂ€sentiert und diskutiert.

Eine vollstĂ€ndige Video-Aufzeichnung in englischer Sprache sowie weitere Informationen zur Diskussion mit Michael ZĂŒrn, Direktor am WZB sowie Jan Zielonka, Professor an der UniversitĂ€t Oxford, finden Sie hier.

 

Share this: