Zurück in die Zukunft

Ein Rückgang der ökonomischen Globalisierung durch Corona scheint unwahrscheinlich [Foto: GettyImages]
Es sind nicht nur ältere Menschen mit Vorerkrankungen, die auf der Liste der potenziellen Opfer der Corona-Krise stehen. Manche sagen auch das Ende der Globalisierung als Folge der Pandemie vorher. Krisen sind tatsächlich Momente für historische Weichenstellungen. Allerdings verändert sich nach einer Krise nie alles.

Die sozialwissenschaftliche Forschung zeigt uns, dass sich gesellschaftliche Praktiken als Folge einer Krise dann ändern, wenn drei Bedingungen erfüllt sind. Die Praktiken müssen, erstens, als ursächlich oder zumindest verschärfend für die Krise angesehen werden. Eine exogen verursachte, gleichsam unverschuldete Unternehmenskrise bedarf laut Lehrbuch weit weniger der Restrukturierung als eine endogene, durch eigene Fehler verursachte Krise. Es müssen, zweitens, Alternativen bestehen, die umsetzbar und nicht allzu kostenträchtig sind. Während der Ozonkrise beispielsweise konnten sich Ersatzstoffe für das verursachende FCKW relativ schnell durchsetzen, da ihre Entwicklung nicht teuer war. Besonders wahrscheinlich führt eine Krise dann zur Änderung, wenn drittens die betroffenen Praktiken schon vor der Krise rückläufig waren. So führte der Zweite Weltkrieg nicht zuletzt deswegen zu einem Dekolonisierungsschub, da der Kolonialismus schon vorher seinen Höhepunkt überschritten hatte.

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Hilfe! Ich habe ‘backlash’-Schleudertrauma: hin zu einer progressiven Infragestellung

                                                                                                                                                                [Foto: Alex Radelich/unsplash]

Zur Beschreibung der momentanen politischen Lage hat sich ein Großteil der akademischen Welt auf den Begriff backlash (auf Deutsch in etwa Gegenreaktion oder Rückwirkung) eingeschossen. Er beschreibt im Englischen eine starke negative Reaktion auf soziale oder politische Entwicklungen, oft verbunden mit einer Idealisierung der Vergangenheit und der Rückforderung verloren geglaubter Privilegien. Allerdings ist der Begriff irreführend: zunächst verkennt er die Heterogenität der Strömungen, die die gegenwärtige liberale Weltordnung in Frage stellen. Klarerweise existieren reaktionäre Kräfte, die Pluralismus untergraben und Freiheitsrechte aushöhlen wollen. Doch dies verstellt oftmals den Blick dafür, dass es auch marginalisierte Gruppen gibt, die gegen die momentane Ordnung aufbegehren, weil diese ihren eigenen Versprechen nicht gerecht wird. Darüber hinaus stellt der backlash-Begriff aber auch eine implizite Verteidigung des Status Quo dar. Die Betonung freier Märkte und individueller Autonomie erscheint somit als unumstößlich; der Blick für Alternativen jenseits des liberalen Paradigmas geht verloren.

Robert Benson lotet in seinem neuen Blogpost die Grenzen und Möglichkeiten des backlash-Konzepts aus und entwirft neue Perspektiven auf ein globales Phänomen. Lesen Sie den vollständigen englischsprachigen Artikel hier.

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