Die Verfassung ist ein Selbstmordpakt

Trump hat die Schattenseiten der amerikanischen Demokratie entblößt [Photo: Getty Images]
Das Ritual des Übergangs beruhte in der amerikanischen Politik bisher auf Ehrerbietung und Anstand ohne formelle Gesetze, die die Wählerschaft zur Volksabstimmung verpflichten. Doch durch Trumps wiederholte Anstiftung, für ihn ungünstige Ergebnisse zu leugnen sind die Bedingungen reif für eine konstitutionelle Krise. Während der friedliche Machtwechsel in den USA den Bürgerkrieg, den Wiederaufbau und die Great Depression überstanden hat, könnte Trumps Weigerung zurückzutreten, verschärft durch ein Wahlsystem, das in nicht kodifizierte Normen und ungeschriebene Praktiken verstrickt ist, einen Wahlalptraum heraufbeschwören.

Lesen Sie in diesem Artikel von Robert Benson mehr darüber, wie sich die Verknüpfung von Trump mit einem Mangel an Sicherungssystemen in der amerikanischen Verfassung auf die bevorstehenden amerikanischen Wahlen auswirken könnte.

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Zurück in die Zukunft

Ein Rückgang der ökonomischen Globalisierung durch Corona scheint unwahrscheinlich [Foto: GettyImages]
Es sind nicht nur ältere Menschen mit Vorerkrankungen, die auf der Liste der potenziellen Opfer der Corona-Krise stehen. Manche sagen auch das Ende der Globalisierung als Folge der Pandemie vorher. Krisen sind tatsächlich Momente für historische Weichenstellungen. Allerdings verändert sich nach einer Krise nie alles.

Die sozialwissenschaftliche Forschung zeigt uns, dass sich gesellschaftliche Praktiken als Folge einer Krise dann ändern, wenn drei Bedingungen erfüllt sind. Die Praktiken müssen, erstens, als ursächlich oder zumindest verschärfend für die Krise angesehen werden. Eine exogen verursachte, gleichsam unverschuldete Unternehmenskrise bedarf laut Lehrbuch weit weniger der Restrukturierung als eine endogene, durch eigene Fehler verursachte Krise. Es müssen, zweitens, Alternativen bestehen, die umsetzbar und nicht allzu kostenträchtig sind. Während der Ozonkrise beispielsweise konnten sich Ersatzstoffe für das verursachende FCKW relativ schnell durchsetzen, da ihre Entwicklung nicht teuer war. Besonders wahrscheinlich führt eine Krise dann zur Änderung, wenn drittens die betroffenen Praktiken schon vor der Krise rückläufig waren. So führte der Zweite Weltkrieg nicht zuletzt deswegen zu einem Dekolonisierungsschub, da der Kolonialismus schon vorher seinen Höhepunkt überschritten hatte.

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Tunesien neun Jahre nach der Revolution: angekommen in der Demokratie?

Tunesische Flagge vor der Kasbah-Moschee in Tunis [Gim42/Getty Images]

Tunesien hat in den vergangenen Wochen ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten gewählt. Neun Jahre nach Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings hat das Land auf der Ebene demokratischer Institutionen und Prozesse viel erreicht: die Verabschiedung einer wegweisenden neuen Verfassung, die Abhaltung von friedlichen, freien und fairen Wahlen, sowie die Etablierung einer vielfältigen Landschaft von Parteien, zivilgesellschaftlichen Organisationen und unabhängigen Medien. Angesichts großer politischer und ökonomischer Herausforderungen braucht es nun im Parlament dennoch die richtige Balance zwischen Konsensorientierung und politischer Auseinandersetzung.

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Wer beschneidet die Freiheit?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                                                        [Foto: Kaja Smith]

Bei den alten Griechen und Platon gab es diese Idee vom Philosophenkönigtum. Das Volk genoss darin alle Freiheiten, regiert von weisen, wohlmeinenden Herrschern — allein von ihnen. In der Praxis hat das so nie stattgefunden. Denn irgendwann kommt jeder vermeintlich wohlmeinende Alleinherrscher an einen Punkt, an dem seine Macht bedroht ist. Will er sie nicht teilen, kann er nicht zulassen, dass demonstriert wird, sich Parteien gründen, kritische Meinungen geäußert werden. Er muss die Freiheiten seiner Bürger beschneiden. Heute verstärken sich autokratische Tendenzen weltweit. Als ein Vorreiter gilt China unter Präsident Xi Jinping. Dass die Volksrepublik ökonomisch überaus erfolgreich ist, hat die Autokratie für einige Staaten zu einer echten Option gemacht. Selbst in der EU, die als Mitgliedschaftskriterium eine stabile Demokratie vorschreibt, erleben undemokratische Werte ein Revival, in Staaten wie Polen und Ungarn oder im Gedankengut rechtspopulistischer Parteien.

Paradoxerweise greifen Autokraten zum Erhalt ihrer Macht mitunter auf
Mittel zurück, die wir zunächst mit Freiheit und Demokratie verbinden. Ein Beispiel sind Wahlen. Praktisch jeder autokratische Staat hält welche ab, um den Schein der Mitbestimmung aufrechtzuerhalten und Bevölkerung und Opposition zu Komplizen zu machen. Wer nicht mitspielt, macht sich zur Zielscheibe. Ein zweites Beispiel ist der Zugang zum Internet. In China etwa wird fast alles online erledigt. Das macht das Leben bequemer; doch der Staat liest mit, zensiert und greift ein, wenn es kritisch wird. Zudem ist die Zusammenarbeit von Autokratien enger geworden. Sie schließen sich zusammen, helfen sich bei Sanktionen — stützen einander. Das Erstarken der Autokratie hat viele überrascht. Nach dem Aus der Sowjetunion hatte etwa der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama das »Ende der Geschichte« ausgerufen: Über kurz oder lang würden sich nun alle Staaten der Welt demokratisieren, die Menschen frei und in Frieden leben. Das hat sich als voreilig herausgestellt, leider. Dass Menschen in vielen Staaten nach wie vor nicht das Recht haben, frei zu sprechen und zu handeln, bereitet uns Bauchschmerzen. Unser Wunsch ist es schon, die verbleibenden Autokratien irgendwann zu überwinden. Und dafür müssen wir sie verstehen.

Hinweis: Dieser Text ist zunächst im aktuellen Magazin der Leibniz-Gemeinschaft erschienen. Lesen Sie das ganze Heft hier.

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