Da sich Deutschland inmitten eines weiteren Lockdowns befindet, während viele asiatische Länder beginnen, sich zu öffnen, stellen Gerhards und Zürn die Frage, warum der Westen es kontinuierlich versäumt hat, von den Erfolgen der asiatischen Länder im Umgang mit der aktuellen Pandemie zu lernen. Unter Verweis auf die Art und Weise, wie der Westen die asiatischen Erfolge im Umgang mit der Pandemie ignoriert hat, argumentieren die Autoren, dass diese Ignoranz tief in einer aus der Kolonialzeit stammenden Arroganz verwurzelt ist; welche sich weigert, von anderen zu lernen, die sie als unfähig ansieht, Alternativen zu ihren eigenen Wegen anzubieten. Lesen Sie in diesem englischsprachigen Artikel, wie eine solche Arroganz überwunden werden kann.
Dangerous Ignorance: Why we learn so little about fighting the pandemic from Asian countries
The track record of fighting pandemics in liberal democracies of Europe does not compare very favorably with that of Asian countries. This applies not only to the comparison with authoritarian China and the semi-authoritarian countries Thailand and Singapore, but also to the comparison with the democratic countries of Taiwan and South Korea. Since the infection figures are not easily comparable due to differences in testing intensity, country differences manifest themselves most evidently in the number of people who have died. For example, in South Korea which has a population of 52 million fewer than 1,500 have died till date whilst in Germany which has a population of 83 million more than 60,000 deaths have occurred. The differences between other European and Asian countries (e.g., between Great Britain and Taiwan) are even more pronounced. The aforementioned Asian societies are also impressively successful in overcoming the economic and social consequences of the crisis. Continue reading “Dangerous Ignorance: Why we learn so little about fighting the pandemic from Asian countries”
Back to the future

It is not only the elderly and those with pre-existing illnesses who are among the potential victims of the Corona pandemic. The end of globalization itself, too, is seen as a possible long-term effect. Crises are indeed moments of historical recalibration. However, not everything changes after a crisis.
It is indeed questionable that the pandemic will lead to the end of globalization, at least economically. Undoubtedly, there are alternatives to the global production chains, and a partial renationalization of economic cycles is possible. That, though, comes at high costs and welfare losses. Upon the return of normalcy, public and private debt will have skyrocketed. This kind of environment does not make further globalization less likely.
The situation looks a bit different with regards to political globalization. Many view the current crisis as the hour of the executive, while others point to the fact that we are witnessing a renaissance of political regulation rather than the return of the sovereign nation-state.
Until an accurate assessment can be made, many things will happen. The outcome of the crisis will be determined not only by objective facts, but to a large extent also by battles over their interpretation.
Read more on the global implications of the Corona pandemic in the full German article here.
Zurück in die Zukunft
Die sozialwissenschaftliche Forschung zeigt uns, dass sich gesellschaftliche Praktiken als Folge einer Krise dann ändern, wenn drei Bedingungen erfüllt sind. Die Praktiken müssen, erstens, als ursächlich oder zumindest verschärfend für die Krise angesehen werden. Eine exogen verursachte, gleichsam unverschuldete Unternehmenskrise bedarf laut Lehrbuch weit weniger der Restrukturierung als eine endogene, durch eigene Fehler verursachte Krise. Es müssen, zweitens, Alternativen bestehen, die umsetzbar und nicht allzu kostenträchtig sind. Während der Ozonkrise beispielsweise konnten sich Ersatzstoffe für das verursachende FCKW relativ schnell durchsetzen, da ihre Entwicklung nicht teuer war. Besonders wahrscheinlich führt eine Krise dann zur Änderung, wenn drittens die betroffenen Praktiken schon vor der Krise rückläufig waren. So führte der Zweite Weltkrieg nicht zuletzt deswegen zu einem Dekolonisierungsschub, da der Kolonialismus schon vorher seinen Höhepunkt überschritten hatte.
Between Dusk And Dawn – A reply to Frank Nullmeier

Following Frank Nullmeier’s review of “A Theory of Global Governance” (TOGG) in our previous blogpost, Michael Zürn responds to some of the remarks made by the author. Is TOGG deficient because it does not focus on decision shaping through global capitalism or on power relations between multinationals and child labor? No, he argues, because TOGG is a theory about the effects of the system of global political institutions and does not seek to answer questions about IR in general or provide a new theory of the World Society. Instead, it shows how extra-political relations of power and dominance impact the political system and become institutionalized therein. Lastly, the image of the Owl of Athena that only sets out at dusk is somewhat inaccurate as a comparison, Zürn claims. TOGG does not merely look backwards and assess the strength of Global Governance as it emerged in the 1990s – it examines why this system is on the brink of the abyss, while simultaneously asking for the conditions under which it may survive in the future. Read the whole German article here.
Zwischen Abenddämmerung und Morgenröte – eine Replik auf Frank Nullmeier

Dieser Text ist eine Antwort auf Frank Nullmeiers Buchbesprechung
“Legitimationsprobleme des Global Governance Systems. Michael Zürns Theorie der globalen Politik”, erschienen hier und hier.
Frank Nullmeier hat sich im Theorieblog kritisch mit meiner „Theory of Global Governance“ (TOGG) auseinandergesetzt. Über seine kluge Kritik freue ich mich und möchte im Gegenzug darauf reagieren. Im besten Fall regt die Auseinandersetzung weitere Beiträge an. Frank Nullmeiers Beitrag beruht auf einer äußerst konzisen und fairen Zusammenfassung der Argumentation. Besonders schmeichelhaft ist es dabei, wenn er die Theoriekonstruktionsprinzipien von Jürgen Habermas‘ „Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus“ als Vergleichsfolie heranzieht. Schmeicheleien sind aber oft zweischneidig und so auch hier. Bei einem solchen Vergleich werden nämlich Defizite nur allzu gut sichtbar. Frank Nullmeier hebt in seiner Kritik v.a. drei Punkte hervor. Zum einen erweist sich der Anspruch von TOGG vor dem Habermasschen Hintergrund als geradezu bescheiden. Es handelt sich nur um eine Theorie des (globalen) politischen Systems und stellt keine Theorie der (kapitalistischen) Weltgesellschaft dar. Dadurch – so der zentrale Kritikpunkt von Frank Nullmeier – würden aber andere gesellschaftliche Systeme und mithin gewaltbasierte und interessengeladene Macht- und Herrschaftsbeziehungen ausgeblendet. Zweitens werde der Begriff der Autorität überdehnt, indem er durch das Konzept der Aufforderungen (requests) weit gefasst wird. Politische Systeme arbeiten aber nach Easton und Nullmeier üblicherweise mit Anweisungen (commands). Und dann ist da auch noch die Eule der Minerva, die ihren Flug erst in der Dämmerung beginnt. Ich möchte in dieser Reaktion kurz auf diese drei wichtigen Kritikpunkte eingehen.
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Wie aus der Zähmung des Klassenkonfliktes der autoritäre Populismus entstand
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In seinem neuen Blogbeitrag wendet sich Michael Zürn dem Gespenst zu, das die liberale Weltordnung derzeit heimsucht – dem Gespenst des autoritären Populismus. Dabei präsentiert er eine politische Erklärung für den Aufstieg des autoritären Populismus, welche die Entstehung einer neuen durch die Globalisierung ausgelösten gesellschaftlichen Konfliktlinie (Kosmopoliten versus Kommunitaristen) und deren Auswirkung auf die sogenannte „schweigende Mehrheit“ der Bevölkerung ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.
Diese „schweigende Mehrheit“ hat große Teile ihres Vertrauens in majoritäre Institutionen (z.B. Parteien) verloren und fühlt sich durch den Bedeutungsanstieg nicht-majoritärer Institutionen (wie z.B. der EU) vom politischen Prozess ausgeschlossen sowie von den Kosmopoliten, die diese Institutionen kontrollieren, vergessen. Dies wiederum, so argumentiert Zürn, wissen die autoritären Populisten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Den vollständigen englischsprachigen Beitrag finden Sie hier.
How the Taming of the Class Conflict Produced Authoritarian Populism
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A specter is haunting the liberal political order—the specter of authoritarian populism. Antiliberal and antipluralist, authoritarian populist ideology questions individual and, especially, minority rights. It questions the rights of “others” to limit the “rights” of the majority culture. Part of this antiliberalism is founded on unconditional support for national sovereignty and the rejection of any political authority beyond national borders, in spite of externalities and interdependencies. Authoritarian populism is also “antipluralist” in the sense that it usually contains a deproceduralized and thus homogeneous notion of the majority. These sentiments are often linked to the “silent majority,” those who—according to Richard Nixon—do not express their opinions, but represent the will of the people. Authoritarian populism asserts that this collective will is known without public debate or other procedures to generate it. Authoritarian populists pit this supposed homogeneous will of the people against immoral, corrupt, and parasitic elites.
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My Fury about Trump’s Fire
Photo by Jason Rosewell on Unsplash
Kurz vor Weihnachten schickte ich die korrigierten Druckfahnen für mein neues Buch zurück an den Verlag. Mein englischer Lektor witzelte darauf hin, dass wir das Buch unbedingt an Donald Trump schicken sollten, damit er es liest. Angesichts der gerade bekannt gewordenen täglichen Leseleistungen des amerikanischen Präsidenten errechnete ich sofort, dass er unter Berücksichtigung der Sommerpausen voraussichtlich kurz vor Weihnachten 2019 fertig sein müsste. Doch als ich kurz darauf die National Security Strategy der Vereinigten Staaten von Amerika (NSS) mit dem Vorwort des Präsidenten sah, hegte ich den Verdacht, dass er zumindest das erste Kapitel meines Buchs bereits gelesen hat.
Dieses erste Kapitel handelt über die normative Grundierung des globalen politischen Systems. Demnach kann dann von einem globalen politischen System gesprochen werden, wenn drei Bedingungen erfüllt sind. Continue reading “My Fury about Trump’s Fire”
Interview: Michael Zürn über Global Governance und “Orders Beyond Borders”
In der ersten Folge unserer neuen Interviewreihe spricht Lynda Iroulo mit dem Direktor der Abteilung Global Governance am WZB und Professor für Internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin – Michael Zürn. Dabei geht es um unseren neuen Blog, Populismus und internationale Beziehungen – und wir finden heraus mit welchem politischen Theoretiker Michael gerne Abendessen gehen würde.
Eine gekürzte und ins Deutsche übersetzte Version des Interviews finden Sie weiter unten oder Sie hören sich das gesamte Interview (auf Englisch) hier an:
Iroulo: Können Sie kurz die Abteilung Global Governance und den Blog vorstellen?
Zürn: Die Forscher*innen unserer Abteilung arbeiten hauptsächlich zu internationalen Institutionen. Wie funktionieren diese? Welchen Einfluss haben sie auf die Weltpolitik und wie kooperieren diese Institutionen im System, das wir Global Governance nennen? Aber auch die Theorien internationaler Politik interessieren uns. Wir sind eine lebendige und bunte Gruppe aus rund 25 Mitarbeiter*innen – Doktorand*innen, Postdocs, Forschungsassistent*innen und mir.
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